„Non-violent Communication“ auch bekannt als „Gewaltfreie Kommunikation“ (GfK), ist ein kommunikativer Ansatz, der von Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde.
Ich hatte immer mal wieder davon gehört, seit ich Ausbildungen zum Coach mache. „Ja, klar“, dachte ich. „Ich verwende kaum Schimpfwörter und bin freundlich, positiv und nett zu anderen Menschen.“
Ich glaubte wirklich, dass ich von der GfK, so wird die Gewaltfreie Kommunikation abgekürzt, nichts lernen könne. Meine kurzen Ausflüge in dieses Gebiet führten mich dann zu Ausdrücken wie Wolfs- und Giraffensprache. „Was ist das?“, dachte ich. Dazu gibt es dann auch noch die passenden Handpuppen. Ich fand es kindisch und seltsam und leider haben die Menschen, die es mir näher bringen wollten, sich vergeblich bemüht. Es schien mir alles zu kompliziert und zu weit weg von der Realität zu sein und wie schon gesagt: Mein Gebrauch von Schimpfwörtern hält sich in Grenzen.


Mediation und meine ersten richtigen Berührungspunkte mit ‚Gewaltfreier Kommunikation‘

Mediation ist ein Vermittlungsverfahren zwischen zwei oder mehr Beteiligen bei Konflikten. Mediator:innen werden als allparteiliche dritte Instanz hinzugezogen. Ziel ist es, eine konstruktive Win-Win-Situation mit einer nachhaltigen Konfliktlösung herzustellen. Die Ausbildung zu Mediatorin ergänzt mein Portfolio als Coach und Kommunikationstrainerin. In einer neunmonatigen Ausbildung am Institut für mediative Kommunikation, welches dem „Europäischen Hochschulverbund“ angeschlossen ist, habe ich viel gelernt und die Gewaltfreie Kommunikation ist ein großer Teilbereich des Ausbildungsinhaltes.
Zunächst war ich skeptisch. Es klang immer noch sehr kompliziert und nicht alltagstauglich. Warum ich meine Meinung grundlegend geändert habe, habe ich einer Mitstudentin zu verdanken, die bereits als GFK-Trainerin ausgebildet war. Sie hat mir zugehört und meine Bedenken nicht kommentiert. Allerdings empfand ich es unglaublich angenehm, mit ihr zu reden. Ich fühlte mich wahrgenommen und mit meinen Bedenken angenommen. Im Laufe der Zeit wurde mir bewusst, dass sie die gewaltfreie Kommunikation als Haltung übernommen und sehr bewusst ihre sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten so geschult hat, dass sie in jedem Gespräch Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Einfühlung vermittelt.
Was für eine Gabe, oder kann ich das auch lernen? Meine Neugierde war geweckt und ich wollte mehr wissen.

 

Mein erster großer Irrtum: „Gewaltfreie Kommunikation“ hat nur was mit dem Weglassen von Schimpfwörtern zu tun

GFK ist eine Haltung, eine Kommunikations-Lehre, ein Coaching System, ein wertvoller Kommunikationsprozess und es hat nur sehr wenig mit dem Gebrauch von Schimpfwörtern zu tun.
Ich finde immer noch, dass der Begriff „Gewaltfreie Kommunikation“ für den Laien irreführend ist. Zumindest war es das für mich und wenn ich darüber rede, sehe ich das gleiche Unverständnis in den Augen der anderen. Ich vermute, weil jeder denkt, er/sie weiß, wovon die Rede ist, schalten die meisten gleich ab. Ganz anders als bei NLP oder Systemischem Coaching oder Mediation. Bei solchen Begriffen werde ich immer gefragt, was genau dahintersteckt.
Der Name ‚Gewaltfreie Kommunikation‘ ergibt für mich erst mehr Sinn, seitdem ich ein wenig mehr darüber weiß.
Einfühlsame oder verbindende Kommunikation sind auch Begriffe, die benutzt werden.
Diese Begriffe beschreiben zumindest den Kern des Ansatzes, der auf gewaltfreiem Ausdruck, empathischem Zuhören, der Förderung von Verbindung und der Konfliktlösung durch Mitgefühl und Verständnis basiert.

 

Was genau ist  ‚Gewaltfreie Kommunikation‘?

Es ist ein Prozess, der darauf abzielt, Mitgefühl und Verbindung in zwischenmenschlichen Interaktionen zu fördern und Konflikte auf gewaltfreie Weise zu lösen. Die gewaltfreie Kommunikation basiert auf der Annahme, dass unsere Handlungen und Sprache von unseren Bedürfnissen und Werten motiviert sind. Sie betont die Wichtigkeit, unsere eigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer Menschen zu erkennen, zu verstehen und zu respektieren. Das Ziel besteht darin, empathisch zuzuhören und zu sprechen, um Missverständnisse und Konflikte zu minimieren.

Das klingt nicht ganz so einfach und es ist es auch nicht. Logisch schon, aber in der Umsetzung dann doch eher voller Stolperfallen.
Um mit der Struktur dieser Kommunikations-Lehre arbeiten zu können, darf man sich erst einmal sehr intensiv mit sich selbst beschäftigen. Es ist logisch, dass wir alle Bedürfnisse haben. Aber kannst du in jeder Situation sagen, welche Bedürfnisse du hast? Bedürfnisse haben viel mit den eigenen Werten zu tun. Aber auch um Werte zu verstehen, braucht es eine gewisse Zeit, in der wir uns mit ihnen beschäftigen und auseinandersetzen. Und dann kommen auch noch die eigenen Gefühle hinzu, die wir in der GfK benennen sollen. Auch ein Thema, dem ich einen neuen Blogartikel widmen werde.

 

Die Struktur der GfK

Der Prozess der gewaltfreien Kommunikation umfasst vier Schritte:

  1. Beobachtung: Beschreibe eine konkrete Handlung oder Situation, ohne Werturteile oder Interpretationen hinzuzufügen. Beschreiben meint hier so, wie es eine Kamera kann. Ohne Bewertung.
    Beispiel – Anstatt: „Du unterbrichst mich immer“, ist es besser zu sagen: „Du hast 2 x angefangen zu sprechen, als ich mitten im Satz war“.
    Beispiel 2 – Anstatt: „Deine Socken und die Schuhe fliegen schon wieder überall hier herum“, „Ich sehe die Socken auf dem Boden liegen und die Schuhe im Wohnzimmer stehen“. Das mag auf den ersten Blick ähnlich klingen, löst aber ganz andere Gefühle aus. Nachfolgend wird das deutlicher.
  2. Gefühl: Identifiziere deine eigenen Gefühle in Bezug auf die beobachtete Handlung oder Situation. Es geht darum, die Gefühle zu benennen, die aufgrund der Erfüllung oder Nichterfüllung deiner Bedürfnisse entstehen. Bei der Aussage mit der Unterbrechung wäre ein Gefühl evtl.: Ich fühle mich durch die Unterbrechung gestresst, weil mir diese Idee so am Herzen liegt … 
    Bei den Socken ist das Gefühl evtl.: Ich bin frustriert und gestresst …
    Was sehr spannend ist: Gefühle in der GfK sind nicht in den Handlungen von anderen begründet, sondern sie sind allein eine Reaktion auf die eigenen Bedürfnisse.
    Also nicht: „Ich bin traurig, weil du zu spät kommst“, sondern: „Ich bin traurig, weil ich gerne Zeit mit dir verbracht hätte.“
  3. Bedürfnis: Erkenne deine zugrunde liegenden Bedürfnisse, die zu den Gefühlen geführt haben. Dies können Bedürfnisse nach Sicherheit, Autonomie, Verbundenheit, Wertschätzung oder anderen sein.
    Beispiel 1: … und es mir wichtig ist, mich klar auszudrücken, damit meine Idee von allen verstanden wird.
    Beispiel 2: … weil mir ein ordentliches Haus wichtig ist und ich am Abend entspannen möchte.
  4. Bitte: Formuliere eine Bitte, die dem anderen ermöglicht, auf deine Bedürfnisse einzugehen, ohne Forderungen oder Vorwürfe zu machen. Bitten sind keine Forderungen. Wenn ich also eine Bitte ausspreche, nachdem ich meine Gefühle und meine Bedürfnisse klar ausgedrückt habe, darf ich davon ausgehen, dass sie erfüllt wird oder nicht. Ich bin also bereit, ein Nein zu akzeptieren.
    Die Bitte zu Beispiel 1: Bitte schreiben Sie sich ihre Gedanken bitte oder merken sie sich, was sie sagen wollten, und lassen sie mich meine Idee zu Ende ausführen. Danach hören wir dann ihren Gedanken dazu zu. Ist das okay für sie?
    Beispiel 2: Bitte räum deine Socken in Zukunft in den Wäschekorb und deine Schuhe vor die Tür. Ist das für dich okay?

Wie sich aus der Struktur erkennen lässt, ist hier eine ganze Menge an Kommunikationsthemen versteckt und ich habe noch einen weiten Weg vor mir, um die GfK auch im täglichen Gebrauch anzuwenden.

 

Die Giraffe und der Wolf in der ‚Gewaltfreien Kommunikation‘

Die Giraffe ist das Säugetier mit dem größten Herzen, deshalb ist sie die Repräsentantin der einfühlsamen Sprache und Haltung. Sie behält den Überblick und gerät nur schwer aus der Ruhe. Sie spricht die Sprache des Herzens und bittet oder wünscht, ohne zu fordern.
Den Begriff Wolfssprache hat Rosenberg gewählt, weil der Wolf schon lange ein Symbol für Gefahr und Angst in Märchen ist. Mit der Wolfssprache bekommen wir eine Menge Beispiele für wirkungsvolle Kommunikationsstörer.
Der Wolf steht für Grenzüberschreitung, Respektlosigkeit gegenüber den Gefühlen anderer, demonstratives Schweigen, Brüllen, Beschuldigungen, Abwertungen, Verharmlosungen, Rassismus, Sexismus, Sarkasmus, Oberwasserrhetorik, Niederreden, Manipulieren, Moralisieren und Suggerieren.
Weitere Wolfstaktiken in der Kommunikation sind täglich zu beobachten. Er/Sie überschüttet mit Mitleid, hört nicht zu und erzählt aus seinem eigenen Leben, gibt ungefragte Ratschläge, psychologisiert, sagt, dass diese Person „schon immer‘ so war, droht mit Konsequenzen, spielt sich als Retter auf, kritisiert besonders Äußerlichkeiten wie Grammatik, Wortschatz, Essmanieren, und was sonst noch so zu finden ist, bewertet ungefragt ausnahmslos alles, beendet angefangene Sätze anderer, unterbricht gnadenlos, predigt, belehrt, stellt sich auf eine Seite und die ist dann richtig, stellt andere bloß und verrät Geheimnisse oder ist besserwisserisch. Wir alle kennen solche Situationen. Die Menschen, die sich so verhalten, sind nicht einfach. Sie kommunizieren destruktiv, einschüchternd und sie hinterlassen ein schlechtes Gefühl bei anderen. Außerdem führen solche Gespräche nicht dazu, dass sich der Gesprächspartner gut fühlt.

 

Mein zweiter großer Irrtum: „Die GfK kann mir nichts beibringen.“

Die Struktur ist logisch, aber immer wieder fällt mir bei mir selbst leider auf, dass ich meine Gefühle nicht benenne, dass ich es einfacher finde, andere Menschen für meine Gefühle verantwortlich zu machen und dass ich meine Bitten sehr oft als höflich getarnte Forderung betrachte, deren Befolgung ich gerne sofort erfüllt hätte. Auch meine Beobachtungen sind vielfach nicht frei von Bewertungen und Sarkasmus kann ich ebenfalls recht gut. Ich darf also noch viel lernen.
Der Wolf ist mir also manchmal nicht ganz unsympathisch, denn ich erkenne in mir und in den Menschen um mich herum Wolfssprache. Aber ich verstehe auch immer öfter, warum die Wolfssprache nicht gut ist. Der Wolf handelt und spricht aus seiner Welt. Es geht um seine Werte, seine Bewertung, seine Idee, was gut und böse ist. Empathisch sein geht anders.

 

Lob und Anerkennung und die GfK

Am schwierigsten finde ich die GfK, wenn es um Lob und Anerkennung geht. Ich fand es immer gut, andere Menschen für das zu loben, was in meiner Welt besonders an ihnen gefunden habe.
Die GfK beschreibt Lob und Anerkennung, auch wenn sie positiv klingen, als Urteile über andere. Bewertungen sind Vergleiche, außerdem kann Lob eine Hierarchie schaffen, in der der Lobende zum Überlegenen wird. Manchmal kann ich das erkennen, manchmal nicht. Ich empfinde allerdings Feedback von anderen selbst hin und wieder als grenzüberschreitend, wenn ich nicht danach gefragt habe und es meinen Expertenstatus betrifft.
Wie drücke ich jetzt aber meine Anerkennung in der Sprache der GfK aus?

Mein Enkel hat mir ein Bild geschenkt: Anstatt zu sagen: Du bist so kreativ und das ist ein ganz tolles, besonders schönes Bild, was alles Bewertungen sind, würde ich in der Sprache der GfK eventuell sagen: Ich liebe dieses Bild mit den bunten Farben. Ich sehe Schlangen auf diesem Bild, die du unterschiedlich ausgemalt hast.
Das Bild macht mich fröhlich und ich finde es wunderschön. Wenn es an der Wand hängt, erinnert es mich an dich und ich weiß, wie lieb du mich hast. Danke, dass du es für mich gemalt hast.

Ich beschreibe also die Handlung, die zu meinem guten Gefühl beiträgt, beschreibe ein Bedürfnis (nach Liebe oder Wertschätzung zum Beispiel), was sich erfüllt und ich beschreibe meine guten Gefühle, die ich durch diese Bedürfniserfüllung habe.

Fazit

Ich bin ein Fan der gewaltfreien Kommunikation geworden, aber mein Weg zum Experte ist noch weit. Ich sehe immer mehr die Möglichkeiten, ich verstehe auch immer besser, warum manche Dinge in meiner eigenen Kommunikation oft so falsch gelaufen sind. Bedürfnisse herauszuhören, bei mir und anderen, nimmt so oft das Drama aus der Kommunikation. Ich denke: Was ist das Bedürfnis dieses Menschen und immer seltener: Was ist das denn für eine Gemeinheit. Viele der Ansätze Rosenbergs scheinen zwar kompliziert, aber sie ergeben Sinn. Die GfK kann ich alleine anwenden, es ist nicht erforderlich, dass andere verstehen, was ich weiß. Auch das erleichtert meine Kommunikation und meine Arbeit.  Aber ich hoffe, dass möglichst viele Menschen immer mehr darüber wissen, denn dann wird unsere Welt durch die Kommunikation ein wenig friedlicher.

Ich bin Eva, Coach und Mediatorin. 

Energie kommt durchs Machen

Hast du ein Problem mit einer anderen Person und das Gefühl, es alleine nicht lösen zu können, dann lass uns reden.

Mediation ist eine wunderbare Methode, um Kommunikationsknoten zu entwirren.


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