In einer idealen Welt streiten wir nicht. Das klingt gut, ist jedoch nicht wirklich machbar.
Es muss nicht immer ein Streit sein, aber es gibt so viele Themen, bei denen besonders Paare unterschiedlicher Meinung sind. Beide wünschen sich eine Lösung, mit der es weitergeht und mit der im Idealfall beide Partner zufrieden sind. Aber mit welchem Konfliktstil streiten wir richtig?

Oft streiten wir über unsere Lebensphilosophie und damit über Themen, bei denen wir es niemals schaffen werden, den Partner zu überzeugen. Das ist auch nicht wichtig.

Wahrscheinlich sind mehr als die Hälfte unserer Themen nicht lösbar, und wir benötigen stattdessen Toleranz und Kompromissbereitschaft.

Die Akzeptanz, dass der andere an etwas anderes glaubt oder Dinge anders sieht, benötigt Offenheit.

Es gibt viele unterschiedliche Wege.
Deshalb muss ich nicht meine Einstellung zu Dingen ändern und sie für die Liebe aufgeben.

Warum streiten wir?

Wenn wir wissen, dass mehr als die Hälfte unserer Streitthemen nicht zu lösen sind, warum streiten wir?

Wenn Wut und Frustration die Oberhand gewinnen, reagieren manche impulsiv – oft sogar verletzend, manchmal laut, und manche ziehen sich zurück. Der Wunsch dahinter ist, sich gehört und verstanden zu fühlen.

Wir haben Ideen und Werte, und wir wollen, dass der Mensch an unserer Seite versteht, worum es uns geht.

Es gibt viele Kommunikationsleitfäden und Ideen zur besseren Konfliktlösung. Der ein oder andere hat sicher schon beruflich und privat Verkaufs- oder Kommunikationstrainings mitgemacht und GFK oder aktives Zuhören trainiert. Doch die Herausforderung kommt dann, wenn man mittendrin steckt, wenn der Streit bereits erste Trigger versendet hat.

Dann reagieren wir plötzlich so wie »immer«, mit einem Verhalten, das wir oft schon als Kinder gelernt haben.

Hinweggefegt sind all die guten Vorsätze. Es ist herausfordernd, neue Methoden anzuwenden, wenn die Emotionen blank liegen.

Wie können wir es schaffen, besser mit unseren eigenen Reaktionen umzugehen und Wege zu finden, die uns langfristig stärken?

Warum wir streiten, wie wir streiten

Es gibt unterschiedliche Konfliktstile, die wir meistens seit unserer Kindheit nutzen. Wir haben sie von unseren Eltern abgeschaut oder aus Reaktionen gelernt.

Neue Reaktionsmuster zu lernen, ist eine Herausforderung, aber als ich verstanden habe, dass es sehr unterschiedliche Streitstile gibt, hat es plötzlich bei mir „Klick“ gemacht.

Ich musste mich also nicht verändern, sondern nur verstehen, warum der andere in meiner Welt so „falsch“ reagiert.

Streitstile oder Konfliktstile kann man zunächst in drei Kategorien unterteilen:

  1. Der ausweichende, nach Harmonie suchende Konfliktstil,
  2. der einfühlsame, lösungsorientierte Konfliktstil,
  3. den leidenschaftlichen, impulsiven Konfliktstil.

Die Unterschiede der drei Konfliktstile

Der ausweichende, nach Harmonie suchende Typ


Harmoniesuchende gehen Konfrontationen lieber aus dem Weg und betonen die positiven Aspekte der Beziehung. Differenzen würden sie am liebsten ignorieren, sie versuchen, sie kleinzureden oder über sie hinwegzugehen.
Das kann angenehm und friedlich wirken, führt jedoch oft dazu, dass tieferliegende Probleme unbemerkt bleiben und vor allem Menschen mit anderen Streitstilen sich nicht gehört und gesehen fühlen.
Der Harmoniesucher bleibt bei seiner Meinung, vertritt sie aber nicht nach außen.

Die Gefahr bei diesem Stil ist, dass emotionale Bedürfnisse unterdrückt und ein Gefühl der Distanz entstehen kann, wenn wichtige Themen nicht besprochen werden. Das kann besonders dann vorkommen, wenn beide Partner diesem Konfliktstil folgen.


Der einfühlsame, lösungsorientierte Konfliktstil

Partner, die sich im einfühlsamen, lösungsorientierten Stil auseinandersetzen, legen Wert auf gegenseitige Anerkennung und Respekt. Sie hören zu, versuchen, den Standpunkt des anderen zu verstehen, und suchen nach Kompromissen.
Diese Menschen streiten in einer ruhigeren, respektvollen Atmosphäre und sind um gegenseitiges Vertrauen und Verbundenheit bemüht.

Doch auch dieser Stil birgt Herausforderungen: Die Versuchung ist groß, immer wieder auf Kompromisse zu setzen und eigene Bedürfnisse unter den Teppich zu kehren.
Langfristig kann das frustrieren und je nachdem wie der Partner tickt, kann es sein, dass er sich von der oft sachlichen Herangehensweise missverstanden fühlt, da die Gefühlsebene nicht wirklich bedient wird.



Der leidenschaftliche, intensive Konfliktstil


Dieser Stil ist lebendig, intensiv und oft laut. Diese Personen scheuen sich nicht, ihre Meinungen klar und emotional auszudrücken. Sie lassen ihre Gefühle raus, was zu hitzigen, aber oft kurzlebigen Auseinandersetzungen führt.

Dieser Stil bringt Ehrlichkeit und Leidenschaft in die Beziehung, birgt aber auch das Risiko, dass einer der Partner sich verletzt oder abgewertet fühlt.
Respekt ist hier der Schlüssel, denn ohne ihn kann die Impulsivität schnell destruktiv werden. Worte werden unbedacht gesagt und manchmal werden die Worte selbst dann zum Streitthema.

Jeder Mensch streitet anders und jeder Konfliktstil hat seine Stärken und Schwächen – entscheidend ist, dass wir uns der eigenen Konfliktmuster bewusst werden und lernen, die Dynamiken zu erkennen, die sich daraus ergeben.

Was passiert, wenn die Konfliktstile bei Paaren unterschiedlich sind?

Wenn ausweichende, Harmonie suchende auf leidenschaftliche, intensive Partner treffen


Diese Kombination kann herausfordernd sein, da der eine Partner nach Ruhe und Harmonie sucht, während der andere eher auf direkte und emotionale Auseinandersetzungen setzt.
Das führt häufig dazu, dass der konfliktvermeidende Partner sich zurückzieht und schweigt, während der Partner immer lauter wird und frustriert ist, weil er in seiner Welt keine Reaktion erhält.
Wenn die Partner darüber reden und erkennen, dass sie ihre Konflikte auf sehr unterschiedliche Weise kommunizieren, können sie lernen, aufeinander einzugehen.
Der leidenschaftliche Streiter darf seine Emotionen etwas zurücknehmen und dem anderen Raum für Stille und Reflexion lassen.
Der konfliktvermeidende Partner darf hingegen daran arbeiten, seine Bedürfnisse klarer zu formulieren und den lauten Ausbruch nicht persönlich zu nehmen, auch wenn es schwerfällt.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass sich diese Kombination ohne das Wissen der unterschiedlichen Kommunikationsstile anfühlt, als ob die Partner zwei verschiedene Sprachen sprechen.

Es ist in dem Fall wichtig, sich über diese Kommunikationsstile zu unterhalten und evtl. auch mal die Streitkultur in der eigenen Ursprungsfamilie zu betrachten.

Oft wird durch dieses Verstehen die Kommunikation einfacher.

Wenn ausweichende, Harmonie suchende auf den einfühlsamen, lösungsorientierten Partner treffen


Diese beiden Stile können gut miteinander harmonieren, da der einfühlsame, aber sachlich lösungsorientierte Partner respektvoll auf den konfliktvermeidenden Partner zugeht und versucht, dessen Bedürfnisse zu verstehen.

Doch auch hier gibt es Fallstricke: Da der konfliktvermeidende Partner dazu neigt, unangenehme Themen zu umgehen, und der lösungsorientierte Partner Konflikte vielleicht zu behutsam anspricht.

Dann kann es dazu kommen, dass wichtige Diskussionen nie richtig angesprochen werden und es kann sich anfühlen, als ob immer wieder das gleiche Thema auf den Tisch kommt.

Damit es nicht dazu kommt, sollte der lösungsorientierte Partner das Gespräch suchen und darauf achten, dass wichtige Themen angesprochen werden.

Der konfliktvermeidende Partner kann lernen, dass Offenheit in der Beziehung Vertrauen stärkt und nicht unbedingt zu Streit führen muss.

Wenn intensive Leidenschaft auf einfühlsamen Sachverstand trifft

In dieser Kombination trifft Intensität auf Verständnis.
Der impulsive, leidenschaftliche Partner drückt klar und deutlich aus, was ihm wichtig ist, während der einfühlsame Partner Ruhe und Verständnis bei der Konfliktlösung bewahrt.

Das kann eine spannende Dynamik erzeugen und zu guten Ergebnissen führen, vorausgesetzt, beide respektieren einander und bleiben im Austausch.

Für den einfühlsamen Partner bedeutet das, sich nicht von der Intensität seines Gegenübers einschüchtern zu lassen, sondern eigene Grenzen zu wahren und zugleich offenzubleiben. Der leidenschaftliche Partner darf hingegen lernen, die ruhigen und klaren Rückmeldungen des anderen als Ausdruck von Wertschätzung zu sehen, statt sich von negativen Emotionen überwältigen zu lassen.

Missverständnisse entstehen oft, wenn der leidenschaftliche Partner auf der Gefühlsebene agiert, während der einfühlsame Partner sachlich bleibt. Dann kommt schnell die Frage: „Hörst du mir überhaupt zu?“, oder das Gefühl: „Du verstehst mich nicht.“

Das 4-Ohren-Modell nach Schulz von Thun kann helfen, solche Situationen besser zu meistern. Der einfühlsame Partner hört und reagiert eher auf der Sachebene, während der leidenschaftliche Partner oft aus seiner Gefühlswelt spricht. Mit diesem Verständnis können beide Konfliktstile harmonischer und gegenseitig wertschätzender zusammenwirken.

Gleicher Konfliktstil, ist das einfacher?


Wenn beide Partner denselben Konfliktstil haben, verstärken sich die jeweiligen Muster. Zwei impulsive Partner könnten leidenschaftliche, aber oft kurze Streits haben, die in der Hitze des Moments explodieren und ebenso schnell wieder abklingen.

Zwei Harmonie suchende Partner, die jedem Streit ausweichen, führen eine friedliche Beziehung, riskieren jedoch, dass beide wichtige Themen ignorieren und langfristig Distanz entsteht, da sie meist nicht ihre Probleme ansprechen.

Zwei sachlich lösungsorientierte Partner könnten sich in einer sehr harmonischen, fast freundschaftlichen Art streiten, laufen aber Gefahr, wesentliche Differenzen zu übersehen, um den Frieden zu wahren. Hier bleiben die Emotionen versteckt und eines Tages kann es mal zur Explosion kommen.

In all diesen Fällen ist es entscheidend, dass beide Partner sich ihrer Dynamik bewusst werden und sie bewusst steuern.

Fazit: Den eigenen Konfliktstil kennen und bewusster streiten

Jeder Konfliktstil kann eine Beziehung bereichern – vorausgesetzt, es wird mit Bewusstsein und Respekt gestritten.
Natürlich bringt Streiten auch Herausforderungen mit sich und es fühlt sich nicht gut an.

Wirklich wichtig ist, dass Paare offen und achtsam miteinander reden und sich in ruhigen Momenten darüber klar werden, in welchem Konfliktstil sie streiten.

In hitzigen Situationen, wenn die Gefühle hochkochen und einer von beiden sich überfordert fühlt, ist eine kurze Pause oft Gold wert.

20-Minuten-Abstand, tief durchatmen und sich ablenken – das wirkt Wunder.

Früher erschien mir das wie ein Rückzug, und ich wollte es nicht zulassen.
Doch es geht nicht darum, Recht zu behalten, sondern die Sichtweise des Partners wirklich zu hören.
Mit einem impulsiven Streiter benötigt der Partner manchmal eine Pause, um wirklich zuhören zu können.

Oft bleibt ein Teil des anderen unverstanden, denn selbst nach langer Zeit bleiben Werte und Glaubenssätze oft verschieden und wir können einfach nicht einer Meinung sein.

Unterschiedliche Konfliktstile zu verstehen, ist eine Einladung dazu, die Unterschiede des Partners zu akzeptieren und daran zu wachsen.

Mit einem bewussten Umgang wird es möglich, mehr Verständnis, Respekt und Nähe aufzubauen – und die Beziehung so nachhaltig zu stärken.

Ich bin Eva und ich bin Expertin für Beziehungsfragen.
Mein eigener Konfliktstil kann impulsiv und laut sein.

Das ist nicht immer einfach für mein Umfeld, aber durch mein Wissen haben manche Konflikte ihre Dringlichkeit und Schärfe verloren.

Es ist leichter geworden.

Beziehung kann leicht sein!

Eva Wippermann

Expertin für Beziehungsfragen