Einmal wurde ich von einem meiner Klienten gefragt: „Darf ich denn gar keine Erwartungen an meinen Partner haben?“
Erwartungen sind ein Ausdruck unserer Bedürfnisse, eine Vorstellung oder Hoffnung darauf, wie Dinge sich entwickeln sollten, wie Menschen sich verhalten sollten oder was in bestimmten Situationen geschehen sollte.
Sie sind also in erster Linie nicht selbstbestimmt und wenn du nicht auf Enttäuschungen aus bist, dann schau dir die 6 Tipps an, wie du Erwartungen kommunizierst.


Ein Familienurlaub ohne Erwartungen:

Wir waren im Familienurlaub mit 4 Paaren, 2 Hunden und 3 Enkeln. Ich hätte es schön gefunden, wenn jeder um 9 Uhr am Frühstückstisch sitzen würde, weil ich so gerne mit allen zusammen frühstücke. Das haben wir ja sonst nie. Leider hatten die anderen zehn Personen und auch die Hunde andere Vorstellungen von einem perfekten Urlaubsmorgen: Ausschlafen, nicht frühstücken müssen, Milchkaffee im Bett oder Gassi gehen standen auf deren Erwartungsliste.

Will ich also, dass meine Erwartungen erfüllt werden, stehen entweder alle anderen unter Druck oder ich warte vergeblich und bin enttäuscht. Wie lässt sich so etwas lösen?

Erwartungen und Bedürfnisse

In jeder Beziehung werden irgendwann Erwartungen zum Stressfaktor. Erwartungen sind etwas, was oft nicht als Wunsch geäußert wird. Der Partner erwartet eigentlich, dass der andere weiß, was zu tun ist.
Da wird es kompliziert, denn: Gedankenlesen können die meisten von uns nicht.
Dann steht man plötzlich da und wird aus heiterem Himmel mit Sätzen konfrontiert wie: „Wenn du mich liebtest, würdest du unseren Jahrestag nicht vergessen.“ Bei genauer Betrachtung hat das eine nichts mit dem anderen zu tun. Aber so genau will es der, in seiner Erwartung betrogene Partner, nicht wissen.

Erwartungen entstehen durch Gewohnheiten, Wertvorstellungen und Glaubenssätze. Was eigentlich dahintersteht, ist ein Bedürfnis. Erwartungen sind im Gegensatz zu Bedürfnissen immer auf andere Menschen bezogen, von denen wir etwas erwarten. Bei nicht-Erfüllung führt das zu Unzufriedenheit und Enttäuschung. Um das zu vermeiden ist es wichtig, das Bedürfnis dahinter zu verstehen, denn dann kannst du sagen, was du brauchst.
Aber auch wenn du deine Bedürfnisse aussprichst, heißt es lange nicht, dass sie erfüllt werden, aber oft kannst du dann auf eine selbstbestimmte Art damit umgehen.

Ein Trick, wie du dein Bedürfnis erkennen kannst:

Wenn du dich über etwas ärgerst, überlege dir, was genau dich stört, und formuliere dann das Gegenteil davon. Aus diesem Gegenteil kannst du dein Bedürfnis ableiten.

  • Beispiel 1: Du denkst: (Erwartung)“Er hilft mir nicht.“ Wandle diesen Satz ins Gegenteil um: „Er hilft mir.“ Daraus erkennst du: Du hast ein Bedürfnis nach Unterstützung.
  • Beispiel 2: Du denkst: „Sie lässt alles einfach herumliegen.“ Formuliere das Gegenteil: „Sie räumt sofort alles auf.“ Du erkennst: Du hast ein Bedürfnis nach Ordnung.

Diese Methode hilft dir, zu verstehen, was ein Bedürfnis im Gegensatz zu einer Erwartung ist und ein Bedürfnis ist leichter zu kommunizieren, weil es von dir selbst kommt.

Aber jetzt meine Kommunikationstipps:

Tipp 1: Wähle den richtigen Zeitpunkt für das Gespräch

Ein Gespräch über Erwartungen in der Partnerschaft sollte nicht spontan in stressigen Momenten begonnen werden. Vermeide es auch, das Gespräch dann zu beginnen, wenn du gerade sehr enttäuscht bist, da eine deiner Erwartungen unerfüllt blieb (z.B. Jahrestag vergessen?). Suche einen ruhigen, ungestörten Zeitpunkt, an dem ihr beide entspannt seid und genügend Zeit habt, um euch auf das Gespräch zu konzentrieren.

Tipp 2: Nutze Ich-Botschaften

Statt deinem Partner Vorwürfe zu machen („Du machst nie …“), solltest du Ich-Botschaften verwenden. Beschreibe, wie du dich fühlst und welche Bedürfnisse du hast („Ich brauche …“, „Für mich ist es wichtig, dass ich …“). Dies ermöglicht es deinem Partner, deine Perspektive zu verstehen, ohne sich angegriffen zu fühlen.

Tipp 3: Aktives Zuhören praktizieren

Höre deinem Partner zu, ohne ihn zu unterbrechen und versuche, die Worte zu verstehen, ohne gleich antworten zu wollen. Zeige, dass du seine Sichtweise ernst nimmst, indem du zusammenfasst, was er gesagt hat. Aktives Zuhören fördert das gegenseitige Verständnis und die Wertschätzung. Lösungen kann man später gemeinsam beraten

Ein Beispiel: „Ich bin müde und erschöpft, wenn ich den ganzen Nachmittag nach der Arbeit die Kinder habe. Ich liebe sie, aber sie sind laut und wild.“
Du fasst zusammen: Ich verstehe, dass du nach deiner Arbeit und dem Spielen mit unseren lebhaften Kindern erschöpft und müde bist und Ruhe brauchst.

Tipp 4: Sei konkret in dem, was du sagst

Allgemeine Aussagen können leicht zu Missverständnissen führen. Sei spezifisch in deinen Wünschen und erkläre, warum sie so wichtig für dich sind.

Beispiel: Nicht: „Nie hilfst du mir, die Kinder am Abend fürs Bett fertig zu machen“ Sondern: „Ich bin nach einem Tag mit den Kindern sehr erschöpft. Es war durchgehend laut und anstrengend. Ich würde mir wünschen, dass du die Kinder badest, und dann fürs Bett fertig machst, damit ich ein wenig Musik hören kann, während ich das Abendessen vorbereite.“

Nicht: „Nie kann ich mich mal 15 Minuten ausruhen, immer muss ich gleich 100 % für die Kinder geben!“ Besser: „Wenn ich nach einem langen Tag im Büro nach Hause komme, brauche ich bitte 15 Minuten für mich, um die Nachrichten zu schauen und kurz abzuschalten. Danach kann ich dir gerne die Kinder abnehmen und sie fürs Bett fertig machen, wenn du dich um das Abendessen kümmerst.“

Tipp 5: Findet Familienziele

Das Benennen gemeinsamer Ziele für eure Partnerschaft oder Familie kann helfen, individuelle Erwartungen in einen größeren Kontext zu setzen. Es zeigt, dass ihr letztendlich dasselbe wollt: ein glückliches und erfüllendes Zusammenleben.

Beispiele:

Schularbeiten sind zum Stressfaktor geworden? Was wünscht ihr euch für euer Kind und welche Möglichkeiten gibt es, es für alle leichter zu machen?

Ihr habt nie Zeit euch mal über andere Themen als die Familie auszutauschen?
Beide Partner brauchen auch mal Zeit, füreinander. Wie kann man das in den Wochenplan einbauen?

Die Gesundheit aller Familienmitglieder ist ein wichtiges Ziel, nur wer gesund ist, kann 100 % geben. Wie ein Auto, dass für allen 4 Reifen Luft braucht, so läuft auch in einer Familie nur alles rund, wenn jedes Mitglied gesund ist.

Tipp 6: Seid offen für neue Lösungen

Sei offen dafür, Kompromisse zu finden. Nicht jede Erwartung oder das Bedürfnis kann zu 100 % erfüllt werden. Durch offene Kommunikation und Verständnis für die Bedürfnisse des anderen und für deine eigenen, kannst du Lösungen finden, mit denen beide zufrieden sind.

Durch wertschätzende Kommunikation können Missverständnisse vermieden und eure Beziehung gestärkt werden.

In einer Partnerschaft geht es nicht darum, wer recht hat, sondern darum, gemeinsam zu wachsen und sich zu unterstützen.

Familienurlaub Teil 2

Bei unserem Familienurlaub haben wir folgenden Kompromiss gelebt: Ich habe um 9 Uhr begonnen, den Frühstückstisch zu decken und mich gegen halb 10 gemütlich mit meinem Toast und einem Milchkaffee und meistens mit meinem Mann an den Tisch gesetzt. Nach und nach sind 80 % meiner Familie eingetrudelt. Ich habe mich über jeden gefreut, der mit am Tisch saß (denn das habe ich ja sonst nicht :-)), und es war ein wunderbarer Urlaub.


Wenn du mehr über meine Familie und einen unserer Familienurlaube wissen möchtest, findest du das in einem anderen Blog: Erwartungen loslassen und dabei entspannt bleiben.

Ich bin Eva und ich bin mir sicher, du kannst viel entspannter sagen, was du brauchst, sobald du deine Bedürfnisse verstehst.


Beziehung geht auch leicht.
Lass uns drüber reden.
Eva die Entscheidungstrainerin