Zuhören und Verstehen sind zwei Seiten einer Medaille und doch könnten sie unterschiedlicher nicht sein. Hätte ich in meiner Ehe den Unterschied gekannt, wären manche Gespräche anders verlaufen.
„Sagen und meinen“ ist die andere Medaille, über die wir in jeder Beziehung nachdenken sollten. In diesem Artikel geht es aber, um das Herzstück der Kommunikation, um das Zuhören, mit dem Wunsch zu verstehen.
Es geht nicht nur darum, die Worte des anderen zu hören, sondern auch darum, die Bedeutungen, Emotionen und Absichten hinter diesen Worten zu erfassen. Leichter gesagt als getan, wie ich mit einem Beispiel aus meiner Vergangenheit zeigen möchte. Das Gespräch fand statt, nachdem ich angefangen hatte, für ein großes Unternehmen im Außendienst zu arbeiten.

Ein Beispiel aus meinem Leben

Ich, abends beim Fernsehen: „Schatz, ich bin morgen den ganzen Tag in Luxemburg und habe dort einige interessante Aufträge, das heißt, ich bin nicht vor 20 Uhr zurück. Die Kinder (12 und 15) kommen um 14 Uhr nach Hause und brauchen Mittagessen. Die Oma bereitet etwas vor. Danach müssen sie Hausaufgaben machen und sie wissen auch sonst was sie zu tun haben, sollten nur daran erinnert werden bitte.“

Er nickt, „OK“ Ich: „Also geht das klar, um 14 Uhr kommen sie?“ Er: „Ich habe dich gehört, schon beim ersten Mal, du brauchst nicht immer alles zu wiederholen.“

Als ich am Abend nach Hause kam, war er noch unterwegs, wir waren gemeinsam selbstständig und arbeiteten zum Teil von zu Hause aus. Die Kinder waren den ganzen Tag allein, er war nicht einmal zu Hause vorbeigegangen. Sie hatten sich ihr Essen bei der Oma abgeholt und sich selbst versorgt. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und war auf ihn sauer.

Was ich ihm mit meinen Worten sagen wollte war: „Kümmere dich doch bitte um die Kinder, damit sie nicht den ganzen Tag allein sind. Sorge dafür, dass sie ihr Mittagessen bekommen und ihre Arbeit erledigen. Sprich kurz mit ihnen und schau, ob sie ok sind.“
In meiner Welt war es genau das, was ich ihm durch meine Worte gesagt habe. Dass er mir mit unseren Kindern helfen würde, war auch das, was wir besprochen hatten, als ich den Job im Außendienst, der für uns beide Gold wert war, angenommen hatte.

Wenn ich es jetzt so lese, weiß ich, wo das Problem lag. Er hatte alles gehört, aber nicht verstanden, was ich gesagt hatte. Wie auch, denn was ich in Worten ausgedrückt hatte, entsprach nur zum Teil dem, was ich ihm mitteilen wollte.

Zuhören

Zuhören bedeutet in erster Linie, dass Klang bei einem anderen Menschen ankommt. Das können Worte sein oder auch Musik, oder jede Art von Lärm. Beim Straße überqueren, hören wir unbewusst, ob ein Auto kommt und wir reagieren. Wenn ein Werkzeug wie eine elektrische Säge oder ein Bohrer nicht rund läuft, hören wir das und reagieren recht schnell. Wir setzten unsere Ohren gezielt ein, um zu verstehen, was um uns herum passiert.

Wenn wir allerdings miteinander reden, dann ist es sinnvoll, wenn wir zuhören und verstehen, was der Sinn hinter den Worten ist.
Aber verstehen und zuhören kann man auf sehr unterschiedliche Art und Weise.

Das Vier-Ohren-Prinzip von Schulz von Thun

Das Vier-Ohren-Modell, auch bekannt als das Kommunikationsquadrat, ist ein Konzept des deutschen Psychologen Friedemann Schulz von Thun. Es beschreibt, wie in jeder Kommunikation vier verschiedene Botschaften gleichzeitig gesendet und empfangen werden können, abhängig davon, auf welchem „Ohr“ der Empfänger gerade hört und mit welchem „Schnabel“ der Redner spricht.

Hier sind die 4 Ebenen am Beispiel: „Ich habe Lust auf Kaffee“, erklärt:

1. Sachebene

Der Zuhörer versteht die einfache, sachliche Information, dass der Sprecher Lust auf Kaffee hat, ohne weitere emotionale oder zwischenmenschliche Interpretation.

Reaktion: „Okay, im Schrank ist noch Kaffee.“ Oder auch: „Ja, ich auch.“
In diesem Beispiel wird vom Sprecher und vom Empfänger nur die Situation beschrieben und verstanden. „Ich habe Lust auf Kaffee.“

Allerdings kommt es häufig vor, dass Sender und Empfänger auf unterschiedlichen Ebenen reden.

2. Selbstoffenbarungsebene

Hier versteht der Zuhörer, dass der Sprecher möglicherweise eine Pause braucht, Energie tanken möchte oder einfach nur sein Verlangen nach seinem Lieblingsgetränk ausdrückt. Dieses Verständnis berücksichtigt die persönlichen Bedürfnisse oder Zustände des Sprechers. Oder der Empfänger reagiert mit seinen eigenen Bedürfnissen und hat das Gefühl, dass dieses die richtige Antwort ist.

Reaktion: „Du klingst müde. Ein Kaffee würde dir jetzt sicher guttun, oder?“ oder
„Ich bin müde, ich würde mich freuen, wenn du mir einen Kaffee kochst.“

Beides sind Interpretationen des Satzes: „Ich habe Lust auf Kaffee.“

3. Beziehungsebene

Hier erfasst der Zuhörer, die Aussage als Information über die Beziehung zwischen ihm und dem Sprecher. Der Wunsch nach Kaffee wird als indirekte Einladung verstanden, Zeit miteinander zu verbringen oder als freundliche Geste.

Reaktion: „Das klingt nach einer tollen Idee. Ich würde mich freuen, mit dir zusammen eine Kaffeepause zu machen.“
Oder: „Wie lieb von dir daran zu denken, dass ich um diese Uhrzeit gerne einen Kaffee trinke. Ja, gerne“

4. Appellebene

Der Zuhörer versteht, dass mit der Aussage möglicherweise der Wunsch verbunden ist, dass er jetzt aktiv wird, indem er Kaffee macht, eine Kaffeepause vorschlägt oder vorschlägt, gemeinsam ins Café zu gehen.

Reaktion: „Ich gehe in die Küche und koche dir einen.“ Oder: „Du kannst schon selber aufstehen und dir einen Kaffee kochen.“

Es sind nur Worte…

Sicher, es sind nur Worte, aber ich hoffe aus diesem Beispiel wird klar, wie unterschiedlich ein harmloser Satz gesagt oder verstanden werden kann.
Diese unterschiedlichen Ohren oder Schnäbel oder einfach Interpretationen in einen Satz, den wir einfach so daher sagen, kann zu großen Themen in der Beziehung führen.

Beispiele, die evtl. der ein oder andere auch kennt: „Ich habe keine Socken im Schrank!“ Antwort: „Ich bin doch nicht dein Hausmädchen.“
Ähnliche Beispiele könnten sein: Der Hund muss mal. Hier ist es staubig. Der Urlaub ist teuer. Du wolltest doch mitkommen. Die Kinder brauchen neue Schuhe und so weiter.

Eine gute Übung, um zu verstehen, wie die 4 Ebenen im Alltag immer wieder zu Missverständnissen führen können, ist, bei einem gemeinsamen Spaziergang normale Sätze wie „Der Hund muss raus“ oder „Der Müll ist voll“ oder „Da liegen deine Socken“ durchzuspielen.

Zuhören nebenbei ist gefährlich

Zuhören geht auch nebenbei. Ein häufiges Kommunikationsmodell in Familien mit kleinen Kindern. Informationen werden zwischen Tür und Angel oder beim Geschrei der Kinder ausgetauscht. Kinder sind nicht immer verständnisvoll und lassen Eltern ausreden. Da fällt der Saft runter oder das Kind vom Stuhl, während die Partner versuchen, die wichtigsten Informationen auszutauschen. Dabei wird oft etwas nicht gehört oder missverstanden und manchmal ist keine Zeit jetzt sofort nachzufragen.
Diese Art der Kommunikation bietet viel Potenzial für Konflikte.

Das Gleiche gilt auch für die Kommunikation im Job. Dinge, die in der Kantine oder im Flur im Vorbeilaufen gesagt werden, können verloren gehen.

Wenn du etwas Wichtiges mitteilen möchtest, sorge dafür, dass sich dein Gesprächspartner auf deine Worte konzentrieren kann und ihr ungestört seid. Versuche das zu sagen, was du wirklich sagen willst und achte auf die Reaktion deines Gesprächspartners.


Verstehen nebenbei ist auch kritisch

Manchmal ist es möglich, jemanden ohne Worte zu verstehen. Es setzt voraus, dass wir entweder die Person genau kennen und zu wissen glauben, wie sie fühlt oder wir kennen die Situation und die Reaktionen wie tiefe Trauer oder große Freude.
Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn wir reagieren immer aus unserer Vorstellungswelt und interpretieren mit unserem eigenen Verständnis der Dinge.

Also auch hier ist nachfragen besser um Misverständnissen aus dem Weg zu gehen.

Aktiv Zuhören und Verstehen

Gutes Zuhören mit dem Wunsch zu verstehen bildet die Grundlage für tiefe und erfüllende Beziehungen.
Hier sind 7 Schlüsselaspekte, wie gutes Zuhören mit dem Wunsch zu verstehen gelingt:

  1. Vollständige Aufmerksamkeit: Konzentriere dich auf den Sprecher.
  2. Zeige mit deiner Körpersprache, dass du zuhörst und verstehen willst.
  3. Wiederhole mit eigenen Worten, was du verstanden hast. Das zeigt, dass du versuchst, den Kern der Aussage zu erfassen und kann Missinterpretationen entgegenwirken.
  4. Versuche, die Perspektive und die Bedürfnisse des anderen zu verstehen, ohne sofort zu urteilen oder zu bewerten.
  5. Beobachte dich selbst. Falls du merkst, dass du gefühlsmäßig reagierst, überlege, welches Bedürfnis bei dir getriggert wird und sprich es gegebenenfalls an.
  6. Stelle Fragen, wenn dir etwas unklar ist, versuch es mit Ich-Sätzen: „Ich habe verstanden, dass … „‚ oder „Ich spüre, dass du wütend bist, stimmt das?“
  7. Vermeide es, sofort mit eigenen Meinungen oder Lösungen zu reagieren. Gib dem Sprecher Raum, seine Gedanken und Gefühle auszudrücken.
    Manchmal will besonders Frau keine Lösungen, sondern nur Raum für ihre Gedanken.

Fazit

Zuhören, ohne wirklich zu verstehen, kann bestenfalls zu Missverständnissen führen, während Verstehen ohne Zuhören oft nur unsere eigenen Vorstellungen von den Gefühlen anderer widerspiegelt.
Der Schlüssel liegt darin, zuzuhören, um zu verstehen – und das beginnt mit echter Aufmerksamkeit bei der Kommunikation. Allein damit kommen wir schon weit.

Wir alle sehnen uns danach, gehört und verstanden zu werden und ganz besonders von den Menschen, mit denen wir unser Leben teilen oder mit denen wir zusammenarbeiten.

Zuhören und verstehen zu können, ist teils Übung, teils eine bewusste Entscheidung. Denn die Essenz jeder Beziehung ist die Kommunikation.

Kommunikationsfähigkeiten kann man entwickeln, sowohl im beruflichen Umfeld als auch in der Liebe. Das erfordert Offenheit und das Verständnis, dass es nicht um richtig oder falsch geht. Es geht um die Anerkennung, dass jeder von uns unterschiedliche Werte, Sichtweisen und Hintergründe hat, und dass wir alle einzigartig sind.


Ich bin Eva und ich bin Entscheidungstrainerin. Dabei ist es unendlich wichtig zu verstehen, wofür oder wogegen man sich entscheidet.

Dass ich dabei etwas klarer und präziser sein darf, habe ich recht schmerzhaft erfahren. Auf jeden Fall ist es einfacher zu lieben, wenn man die Worte des anderen nicht nur hört, sondern auch versteht.

Beziehung geht auch leicht.


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